Interview mit Reinhold Messner – Janitza® ENERGY DAY 2024

Während eines erfolgreichen Events hatte Janitza die Möglichkeit mit den renommierten Bergsteiger und Autor Reinhold Messner in einem exklusiven Interview zu sprechen.

29.03.2024

Interview mit Reinhold Messner – Janitza® ENERGY DAY 2024

Herr Messner, wie ist Ihre allgemeine Sicht auf den Klimawandel? Steht es so schlimm um uns oder gibt es noch Chancen? 

Ich blicke aus zwei Perspektiven auf den Klimawandel:
Klima bedeutet immer gleich Wandel und das seit Millionen von Jahren. Wir Menschen haben durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen seit Beginn der Industrialisierung günstige Energie und Wohlstand erhalten. Gleichzeitig haben wir Millionen von Tonnen CO2 in die Atmosphäre gestoßen. Damit haben wir auch das Klima verändert.
Man muss festhalten, dass die Industrialisierung zu einem enormen Wohlstand geführt hat. Man kann aber nicht ohne weiteres sagen, dass die Generation vor uns die Welt einfach so kaputtgemacht hat. Die Generation hat davon profitiert, aber viel zu spät die Folgen erkannt.  

Das Klima wird sich weiterhin ändern, diese Prozesse sind aber recht langsam. Dieser Klimawandel, angeregt durch die industrielle globale Erwärmung, galoppiert allerdings. Dabei darf man das alles nicht nur sehr kurzfristig sehen, sondern muss auf lange Sicht betrachten, denn so einfach ist das nicht. Beim Klimawandel handelt es sich um ein sehr komplexes Thema. Gerade durch meine Reisen in die Antarktis oder zu den Gletschern nach Grönland habe ich die riesigen Eisschichten gesehen. Man muss sich vorstellen, dass sich dort rund 90% des Erdeises befinden und das schwindet nicht so schnell. Im Gegensatz dazu werden die Gletscher an den Alpen in den nächsten 50-100 Jahren allerdings abgeschmolzen sein.  

Aber schlimmer noch ist der Permafrost Schwund. Das Eis entstammt noch aus der Eiszeit und befindet sich im Inneren der Berge. Es hält alles zusammen und verschwindet jetzt stetig. Von den Bergen kommen dann Brocken herunter, die so groß sind wie Hochhäuser. Das Abschmelzen hat sich sehr beschleunigt. Vor 50 Jahren war es schleichend zu beobachten, jetzt ist das ca. 10-mal so viel, wenn es reicht.

 

Sehen Sie die Verantwortung für den Klimawandel bei den Unternehmen bzw. bei Privatpersonen? Wo denken Sie, haben wir noch Verbesserungspotential? 

Ich sehe beide Parteien in der Pflicht. Die Unternehmen müssen versuchen mit einer anderen – CO2-neutraleren – Energieform zu arbeiten. Da sind die Unternehmer bereits dabei diese zu verbessern. Insgesamt sind die Europäer hierbei weiter als zum Beispiel Länder wie China, Indien oder die USA.  

Aber auch jeder Einzelne kann viel machen, indem sich jeder etwas zurück nimmt im Konsum. Wir konsumieren ca. ein Drittel mehr als das, was wir eigentlich brauchen. Und mit dem freiwilligen Verzicht auf den unnötigen Konsum würden wir schon sehr viel erreichen. Das liegt daran, dass jedes Konsumgut alleine schon in der Herstellung viel Energie braucht. Der andere Punkt ist, dass viele Produkte und Dinge im Internet bestellt und in China hergestellt und dann nach Deutschland transportiert werden und das in kleinsten Mengen. Das kostet enorm viel Energie. Aber eine Lösung dafür muss die Politik finden. Jeder Einzelne kann nur freiwillig auf solche Dinge verzichten. Und das ist wichtig: Man muss es verstehen, sich selbst reflektieren und freiwillig umsetzen.

 

Heißt das, dass jeder am besten bei sich damit anfängt? 

Ja, ich bin zum Beispiel Selbstversorger. Natürlich ist das leichter, wenn man in einem Gebirge lebt und durch die Gegebenheiten alles selbst produzieren kann. Jeder kann aber bei sich selbst anfangen und mit kleinen Dingen viel bewirken.

 

Was machen Sie persönlich (privat), um möglichst klimaneutral zu leben? 

Zum einen lebe ich relativ bescheiden. Verzicht habe ich recht früh bei den unterschiedlichen Expeditionen gelernt, sonst hätte ich sie gar nicht auf die Beine stellen können.
Und in der Praxis entwickle ich Modelle. Ich arbeite an einer Bergstation, einer Seilbahn, die nicht mehr ganz zeitgemäß ist und die stillgelegt wurde.
Für die Bergstation habe ich 2 Jahre vor dem Gesetzgeber gebraucht, um mein Vorhaben durchzubekommen. Weder Beton, Stahl oder sonstige Materialien, auch wenn sie vor 50 Jahren benutzt wurden, werden weggeworfen – alles bleibt so erhalten und wird genutzt.
Wir haben die Bergstation in ein Museum umgewandelt. Damit ist sie nicht mehr ein Fremdenverkehrs- bzw. infrastruktureller Bau, sondern ein Kulturbau geworden.
Ich nenne dieses Prinzip Upcycling und das bedeutet, dass ich Vorhandenes zu einem wertvolleren Gut entwickle, ohne Ressourcen zu verschwenden. Das ist im Prinzip die reine Nachhaltigkeit.

Ein weiteres Vorhaben ist Folgendes: Im Inneren eines Berges wurde ein Loch gebaggert und darin ist ein einmaliges Haus entstanden. Das Haus ist von Felsen umgeben und in dem Loch befindet sich ein Stahl-Glas-Bau. Das Dach ist dicht und durch die tiefstehende Wintersonne kommt in der kalten Jahreszeit die Wärme hinein und das reicht, um das Haus zu heizen. Für schlechtere Zeiten ist zwar eine Notheizung da, aber die wird nicht gebraucht.
In den Sommermonaten steht die hohe Sonne im 90 Grad Winkel über dem Felsenhaus und scheint auf das Dach. Durch die Isolierung braucht es keine Kühlung. Zudem ist in dem Haus mehr Licht als in jedem normalen Haus. Wenn man rausblickt, dann sieht man die schöne Landschaft mit Bergen und Wäldern und keine Industriegebiete.
Wir haben das Felsenhaus als Experiment realisiert und man kann sagen, dass es uns sehr gut geglückt ist.

 

Wie sieht es in Südtirol aus? Wo machen sich Klimaveränderungen bemerkbar? Was sind Hauptgründe? Und was wird für den Schutz des Klimas getan?  

Der Klimawandel ist bei uns in Südtirol durch das Gebirge schneller bemerkbar geworden, als in anderen Regionen. Das Hauptproblem, das wir jetzt bekommen, ist der Permafrost-Verlust. Hier befinden sich viele enge Täler und Schluchten, die teilweise 500 Meter hoch sind. Man muss sich vorstellen, dass sich dort oben labile Felsen befinden, die jederzeit herunterstürzen können. Kürzlich ist ein riesiger Felsbrocken auf die Autobahn gefallen. Glücklicherweise befand sich in dem Moment niemand dort. Das wird ein großes und kostspieliges Problem werden.
Das Schmelzen hat aber auch einen großen Vorteil: Die Wälder ziehen weiter nach oben. Die Bäume wachsen höher, das bietet uns gleichzeitig auch wiederum mehr Schutz vor Lawinen und Erdrutschen.

 

Denken Sie der Respekt vor den Bergen, aber auch der Natur an sich und wie die Menschen damit umgehen und ihr begegnen hat sich verändert? 

Der Alpinismus hat sich verändert. Als ich ein junger Kletterer war - ich komme aus dem Felsenklettern – bin ich einfach große Felswände hochgestiegen. Das war ziemlich gefährlich wegen potentiellen Steinschlägen und den brüchigen Felsen. Wenn man da einen Fehler gemacht hat, dann wurde das bestraft. Das war im Grunde genommen die direkte Konfrontation mit der Natur.  

Heute klettern ca. 90% der Kletterer nur alle in Hallen. Das ist einerseits gut, denn sie machen keine Schäden, jedenfalls ökologisch gesehen und das ist ein großartiger Sport, aber es hat mit meinem Alpinismus nicht viel zu tun. Der Sport heute ist messbar, ist olympische Disziplin geworden und zieht viele Zuschauer an – aber das ist kein Bergsteigen im herkömmlichen Sinne.

An den großen Bergen, jedenfalls an manchen, herrscht Massentourismus. Diese Berge werden für die Menschen so präpariert, dass viele Menschen hochklettern können. Man kann sich eine Passage bei entsprechenden Reisebüros kaufen und wird dann auf einen großen Berg, wie den Mount Everest, gebracht. Dann steigen diese Kolonnen im Gänsemarsch auf einer präparierten Piste den Berg hinauf. Das ist aber kein Bergsteigen, sondern das ist Tourismus. Der Tourist braucht eine entsprechende Infrastruktur, in der er Urlaub machen kann. Der Bergsteiger hingegen geht dahin, wo weder Infrastruktur noch andere Menschen sind. Deswegen haben wir einerseits Massentourismus an einigen wenigen Bergen, das sind ca. 30-40 Berge. Die übrigen Berge sind unbegangen – zum Glück.
Das Klettern können wir messen, das Abenteuer hingegen ist nicht messbar, weil die Natur jeden Tag anders ist. Das ist nicht klimatisierbar, da kommt beispielsweise auf einmal ein überraschender Schneesturm, mit dem niemand gerechnet hat. Beim Klettern in Hallen nimmt man die Natur weniger wahr und damit kann auch der Respekt vor der Natur natürlich nicht greifen. Aber es gibt natürlich immer noch Alpinisten, die in die Gebirge und auf Berge gehen, die einen großen Respekt vor der Natur haben.

 

Es gibt von vielen Seiten Bemühungen, CO2-neutraler zu werden bzw. umweltbewusster zu wirtschaften.
Für wie erfolgreich halten Sie solche Bemühungen oder denken Sie, dass vielleicht andere Ansätze notwendig sind? 

Ich bin der Meinung, dass alle möglichen Technologien weiterentwickelt werden sollten. Es ist noch lange nicht gesagt, dass zum Beispiel die komplette E-Mobilität weniger Energie kostet. Dazu fehlt uns beispielsweise allein die Infrastruktur. Da ich hoch oben auf einem Berg lebe, könnte ich nicht einfach ein E-Auto nutzen, da die Installation eines Anschlusses dort nicht so einfach so möglich ist. Ich muss hundert Höhenmeter von dem Autoparkplatz zu meinem Schlafplatz in der Burg, in der ich lebe, gehen. Da kann man nicht einfach so hinfahren, da kann man maximal mit einem Pferd hin reiten.
Komplett betrachtet ist das ganze Thema E-Mobilität ein bisschen zu schnell gemacht worden und wird von den Menschen nicht angenommen, das ist ziemlich unglücklich gelaufen.
Ich war z.B. letztens in Indien in Delhi. Und wenn man sich anschaut, was dort auf den Straßen los ist, da wird mit alten Autos dicht gedrängt im Stau gestanden und gefahren. Dasselbe gilt für China, dort sind zwar die Autos deutlich CO2-neutraler, aber man hat noch nicht ganz verstanden, dass sie insgesamt auch einen Klimabeitrag leisten müssten. Dort hat man vom Lebensstandard einiges nachzuholen, man hat dort auch sehr lange Zeit gelitten und möchte jetzt nicht sofort wieder verzichten müssen. Genauso in anderen dritte Welt-Staaten generell, auch für Südamerika.

In Kapan Nepal fahren zum Beispiel deutlich mehr Autos, als in Deutschland und das sind alles wirklich sehr alte Autos. Und heizen müssen die Menschen auch und die sind auch nicht gerade auf dem neuesten Stand der Technik. Also ich bin da insgesamt eher skeptisch, ob wir die Klimaziele so hinbekommen.

Zukünftig werden wir in Europa sicherlich führend werden, aber das ist noch lange nicht international alles so ausgereift und generell sind die politischen, sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen viel zu kompliziert. Das Pariser Klimaabkommen bzw. die Standards, das hält kaum jemand ein – außer die Europäer zum Teil.
Und schwierig wird es auch durch die Unzufriedenheit. Das kommt daher, dass die Leute das zum Teil einfach nicht mehr verstehen.
Die Klimaaktivisten, die sich beispielsweise auf die Straße kleben, sind kontraproduktiv.

 

Die Welt wird sich auf die ein oder andere Art verändern. Wie denken Sie sollten die Menschen diesen Veränderungen am besten begegnen? 

Die Welt ist ununterbrochen im Wandel. Und gerade bei Thema Klima: Wenn man vom Klimawandel spricht, dann ist das immer doppelt betrachtet, denn Klima ist immer Wandel.
Das Klima hat sich schon immer geändert. Und mir ist der Blick auf das Klima nur auf die letzten Jahrzehnte immer zu kurz. Wir können sogar noch auf den Ötzi und das damalige Klima blicken und offensichtlich war es damals wärmer als heute. Aber warum war es wärmer? Meiner Meinung nach tragen die Sonnenflecken viel dazu bei. Das ist jedenfalls meine Meinung. Ich mache das davon abhängig, dass die Sonne mal mehr und mal weniger Energie abgibt. Zudem verändern sich die Erde bzw. Erdachse und diese Kombination hat große Auswirkungen auf den Planeten und das Klima.

Man muss sich nur vorstellen, dass bei der letzten Eiszeit Norwegen und Schweden voller Gletscher war. Und in 20.000 bis 30.000 Jahren kann uns eine nächste Eiszeit erwischen und das kann dazu führen, dass die Sahara grün und fruchtbar ist. Die Sahara war früher bereits begrünt, das habe ich selbst an den Felsenzeichnungen gesehen.  

Die Veränderungen werden also kommen. Man muss sich selbst Fragen, wie man Veränderungen begegnen will und kann und was man selbst gegen den Klimawandel tun kann?
Der Einzelne kann – wie gesagt – verzichten – das muss aber freiwillig geschehen und nicht auf Grundlage des Gesetzgebers. Freiwilligkeit ist dabei elementar wichtig und muss eine sinnstiftende Angelegenheit sein.