Marc Elsberg im Interview

Im Rahmen des Janitza Energy Days 2023 hatten wir die Gelegenheit mit Marc Elsberg über Abhängigkeiten und Versorgungssicherheit zu sprechen.

Marc Elsberg im Interview

Wie sind Sie ursprünglich auf das Thema Blackout gekommen? Was war der Moment in dem Sie gesagt haben, ich möchte ein Buch zum Thema Strom oder Versorgungssicherheit schreiben?

Ich wollte ein Buch über unsere Abhängigkeiten schreiben und dass wir in einem System leben, das uns letztendlich ungeheuren Komfort erlaubt, aber zu gewissen Kosten. Nämlich zu diesen unendlich vielen gegenseitigen Abhängigkeiten auf globaler Ebene. Wir haben das in der Pandemie jetzt immer wieder miterlebt, Stichwort Lieferketten. Und auch als ich in dieses Thema eingetaucht bin, gab es die Lieferkettenthematik schon.

Was vielen Leuten nicht bewusst war und bis heute nur bedingt bewusst ist ist, dass heute alles so organisiert ist wie zum Beispiel eine Autofabrik. Wir wissen alle, die ist abhängig davon, dass hunderte Zulieferer ihre Produkte zeitgenau liefern, damit die dann auf die Sekunde genau zusammenmontiert werden können. Dass heute aber beispielsweise eine Bank oder ein industrialisierter Kuhstall genauso funktionieren und eingebettet sind in das System gegenseitiger Abhängigkeiten, das ist vielen Leuten nicht bewusst. Darüber wollte ich schreiben und dann fängt man natürlich schnell an, über kritische Infrastruktur nachzudenken und darüber, wie wir von ihr abhängig sind. Und ganz wichtig dabei ist der Strom.

Als nächstes überlegt man dann, wie man die Geschichte davon erzählt, wie das alles funktioniert. Und eine Möglichkeit ist zu beschreiben, wie es ist, wenn es nicht mehr funktioniert. Und deswegen hab ich mir damals angeschaut, wie das wäre, wenn die Finanzinfrastruktur nicht mehr funktioniert, oder die Transport- oder Kommunikationsinfrastruktur. Oder eben die Strominfrastruktur. Im Rahmen dessen bin ich darauf gekommen, dass die Wirkung am schnellsten und am schlimmsten eintritt, wenn man es irgendwie schafft, dass die Strominfrastruktur nicht mehr funktioniert.

Ich krieg eine ähnliche Wirkung, oder fast die gleiche, wenn ich das Internet ausschalte oder Teile davon. Heutzutage zumindest. Oder wenn man es schafft, wesentliche Finanzinfrastrukturen auszuschalten. Nur wird es dann nicht so schnell gehen.

Bei der Logistik erleben wir es ansatzweiße immer wieder, wenn plötzlich wie vor ein paar Wochen in Frankreich die Leute an den Tankstellen Schlange stehen, nur noch ganz wenige überhaupt zum Tanken berechtigt sind und nach wenigen Tagen in den ersten Supermärkten Produkte fehlen. Würde das länger andauern schaut es ähnlich wie beim Strom aus.

Strom macht es einfach besonders effektiv und schnell. Und so kam es letztendlich zur Geschichte des Stromausfalls. Ich wollte erzählen, wie gut es uns geht, in dem ich erzähle was passiert, wenn diese Systeme, die uns so viel ermöglichen, wegfallen.

Hat sich im Laufe Ihrer Recherche auch Ihre Sichtweise auf das Thema verändert? Im Buch wurde der Flyer des Katastrophenamts und die Vorratsempfehlung erwähnt. Haben Sie sich das auch angeschafft?

Durch die Recherchen am Buch, ja. Ich habe mein Erwachsenenleben lang in Großstädten gewohnt, Wien und Hamburg, und hatte ein klassisches Großstädter-Einkaufverhalten. Also für zwei Tage was im Kühlschrank und vielleicht noch ein bisschen was rumstehen. So drei bis vier Tage hätte ich vielleicht geschafft und dann wäre Schluss gewesen. Seit den Recherchen zum Buch hab ich zumindest die empfohlenen Dinge für zuhause da, aber auch nicht mehr. Ich habe weder Lebensmittel und Wasser für drei Monate, noch eine Waffe. Ich hab nicht einmal einen Notstromgenerator, weil das nicht viel Sinn macht und schon gar nicht in einer Wohnung.

Ich hab die längste Zeit noch nicht einmal einen Gaskocher gehabt, weil ich kein Camper bin und es nicht natürlicherweise zuhause hatte. Von daher hat das durchaus etwas geändert bei mir. Zum Glück hab ich es noch nie gebraucht. Wobei, das stimmt nicht ganz. Zu Beginn der Pandemie, beim ersten Lockdown, hab ich mir zumindest keine Sorgen gemacht, ob ich genug Klopapier oder Nudeln zuhause habe. Auch was sonst noch auf diesen Listen steht, ist nicht nur für Stromausfälle empfehlenswert, sondern auch für einen Lockdown oder andere Krisensituationen.

Ihr Buch ist jetzt schon 11 Jahre alt, halten Sie das Thema Stromversorgung heute noch für genauso relevant oder ist es vielleicht sogar relevanter geworden?

Mir scheint, es ist noch deutlich relevanter geworden. Es war ein großer Zufall, dass das Buch genau in dem Augenblick fertig war, als in Deutschland die Energiewende ausgerufen wurde.  Das war 2011. Erschienen ist es zwar ein Jahr später aber der Text war 2011 fertig. Und damals war ja schon klar, dass das Thema Energieversorgung uns noch lange verfolgen wird. Das war sogar schon wesentlich früher klar.

Was nicht ganz so klar war war, dass man den Ausstieg aus den Fossilen und vor allem auch aus der Kernenergie so dermaßen vermasseln würde, wie man das die letzten zwanzig Jahre getan hat, was uns in die jetzige Situation gebracht hat. Aber deswegen ist das Thema heute fast noch wichtiger als damals.

Heißt das, Sie halten einen Stromausfall, wenn auch nicht so groß angelegt wie im Buch, für wahrscheinlicher als vor 10 Jahren?

Wahrscheinlicher, kann man so nicht sagen. Ich persönlich finde diese Frage immer ein bisschen schwierig. Die Herausforderung bei einem solchen großflächigen Ereignis ist, dass es unsere Lebensbedingungen extrem verändern würde. Und wenn man mit solchen Ereignissen potentiell konfrontiert ist, dann sollte man natürlich in irgendeiner Form versuchen sie zu verhindern oder sich vorzubereiten für den Fall, dass sie eintreten. Je besser ich vorbereitet bin, desto besser kann ich sie natürlich bewältigen und insofern ist eigentlich die Frage wichtiger: „Sind wir ausreichend vorbereitet?“

Ich vergleiche das immer mit einer Versicherung. Niemand von uns versichert sich dagegen, dass er sich in den Finger schneidet, aber wir haben Lebensversicherungen, oder fürs Haus eine Brandversicherung. Denn wenn das passiert, wär es wirklich schlimm. Und genauso sollte man beim Blackout weniger über die Wahrscheinlichkeit nachdenken, dass es passiert, als darüber, ob wir uns darauf vorbereiten können. Sind wir darauf vorbereitet? Können wir damit umgehen?

Und das ist an sich nicht so schwer, wenn jeder diese empfohlenen Dinge für die 14 Tage zuhause hätte. Damit wäre schon ein ziemlich beträchtlicher Teil für die erste Krisenbewältigung getan und dann könnten natürlich einzelne Unternehmen, Gemeinden, Behörden etc. auch ein bisschen was tun, was relativ wenig Aufwand erfordert. Zumindest für diese erste ganz grobe Bewältigung und dann wäre das im Allgemeinen machbar.

Was man in dem Kontext auch sagen muss, vor allem mit den Diskussionen der letzten Monate rund um die Energieknappheit bedingt durch den Ukrainekrieg, ist vielleicht auch, ich zeichne in dem Buch ein Extremszenario, nämlich einen Angriff.

Wenn es zu einem großflächigen Ausfall aus nicht vorsätzlichen Gründen käme, also menschliches Versagen, technisches Versagen, irgendwelche Wetterzustände oder so, dann würde es nicht so lange dauern, wie bei mir im Buch beschrieben. Dann würde das zwischen ein paar Stunden und vielleicht 2, 3 maximal 4 Tage in manchen Gegenden dauern und dann ist zumindest der Strom wieder da. Dann dauert es vielleicht nochmal etwa 2 bis 5 Tage, bis auch die Supermärkte wieder offen haben und die Tankstellen wieder. Nach einer bis zwei Wochen haben wir dann zumindest wieder eine Grundversorgung. Daher kommen ja auch die Empfehlungen, dass man für 14 Tage was zuhause haben soll. Nicht nur für den Zeitpunkt der Krise selbst, sondern auch bis nachher die wichtigsten Dinge wieder angelaufen sind.

Dieses Szenario ist dann immer noch dramatisch genug, aber das ist was anderes als das Szenario im Buch. Sowieso haben wir immer wieder Begriffsvermischungen in den letzten Monaten gehabt. Wenn regional irgendwo in ein paar Straßen für ein paar Stunden der Strom ausfällt ist das kein Blackout und schon gar nicht, wenn ganz gezielt ein kleines Gebiet abgeschaltet wird, um das Gesamtsystem stabil zu halten.

Eine gezielte Abschaltung ist kein Kontrollverlust, im Gegensatz zum Blackout. Da muss man, finde ich, sehr aufpassen, dass man da die Kirche im Dorf lässt und nicht mit Blackout-Geschrei irgendwas an Ideen provoziert, die schlicht und einfach so nicht richtig sind.

Sie haben ja sicher sehr viel recherchiert, haben Sie mit Experten zusammen gearbeitet? Wie lange haben Sie recherchiert?

Ich war damals noch hauptberuflich in der Werbung tätig und habe das so nebenher gemacht. Man hat damals eigentlich schon fast alles im Internet gefunden, wenn man wusste wo. Ich habe aber auch mit Experten aus verschiedenen Bereichen gesprochen, die mir viel erzählen konnten.

Expertengespräche sind auch deswegen immer interessant, weil man so ein bisschen mehr ein Gefühl für das menschliche Moment in dem Ganzen bekommt. Speziell als Autor von Fiktion ist das wichtig. Sie konnten mich dann aber auch sehr oft wieder auf Quellen im Internet verweisen, wo ich wieder was nachlesen konnte und so weiter und so fort. Das war ein Wechselspiel bei den Recherchen.

Sie haben es ja schon gesagt, man hört in den letzten Wochen & Monaten immer öfter vom Blackout. Sind Sie vermehrt wegen diesem Thema auch angesprochen worden?

Definitiv, aber eigentlich schon seit Erscheinen des Buches. Sehr oft aus verschiedenen Gründen. Im Buch handelt es sich ja wie gesagt um einen Angriff auf die Systeme, vor allem auf die IT-Systeme. Das ist ein wichtiges Thema nicht nur bei der Energieindustrie, sondern ganz generell. IT-Sicherheit in allen Belangen wird immer kritischer und wichtiger, aber natürlich auch die Energiesicherheit. In den letzten Monaten war das natürlich sehr intensiv.

Haben Sie vor dem Energy Day schon einmal von Janitza gehört? Ist der Name vielleicht im Laufe der Recherchen schon einmal gefallen?

Im Laufe der Recherchen – man muss dazu sagen, die Recherchen sind schon relativ lange her – ich gestehe, damals im Lauf der Recherchen ist er nicht gefallen. Da sind aber generell eigentlich wenig Firmennamen gefallen. Da ging es eher um Prinzipielles und Grundsätzliches: Wie funktionieren Stromsysteme oder Energiesysteme, wie funktioniert IT etc. Da ging es nicht um irgendwelche Unternehmen, außer in ganz wenigen Fällen. Es gibt in Deutschland nur vier Übertragungsnetzbetreiber, natürlich sind deren Namen da und dort mal gefallen, aber sonst eigentlich nicht. Deswegen in dem Kontext auch nicht Janitza.

Es ist auch sehr speziell vom Thema her. Wobei es ja interessanterweise, im Kontext der Geschichte des Buches, durchaus so ist, dass gerade das Messen von Systemzuständen, wenn auch in einem anderen Gebiet, ein Fokus ist. Denn erstens werden die Smartmeter angegriffen, die machen Sie zwar nicht, aber es ist auch ein Messen des Systemzustands, nur in einem anderen Bereich und auch bei den SCADA-Systemen, die angegriffen werden, wo ein falscher Systemzustand vorgegaukelt wird. Sozusagen wird eine falsche Messung angegeben, obwohl sie richtig ist und erst durch das Reagieren darauf entsteht der Schaden. Also hab ich auch mit dem Messen von Systemzuständen im Meta-Sinn zu tun.

Es geht immer wieder um Daten.

Genau. Kriege ich die richtigen Daten? Gebe ich die richtigen Daten weiter? Wie relevant sind sie und so weiter. Und selbst in einem so komplexen System wie dem Energiesystem gibt es noch viele verschiedene weitere Bereiche.

Ich hab mich natürlich im Zusammenhang mit dem morgigen Termin ein bisschen genauer informiert und mir das mal etwas genauer angeschaut, was da eigentlich genau gemacht wird. Natürlich erkennt man dann vieles wieder oder denkt sich, ah, ja, natürlich im Buch wäre das dann da gewesen. So genau bin ich damals aber auch nicht eingestiegen, aber ich hatte ja meine Fachleute und wie ich gefragt habe, wo wir angreifen können, wenn ich die IT-Systeme angreifen will, da sind die Fachleutemit einer riesigen Liste hergekommen. Es ging dann um diese Systemkomponente, oder jene Systemkomponente, die GPS-Systeme oder eben die Smartmeter und die SCADA-Systeme oder weiß der Teufel was. Aber keine konkreten Firmen.