„Wir brauchen den Sprung in das Morgen“
Ranga Yogeshwar war Keynote-Speaker beim Janitza® ENERGY DAY 2025. Im Interview teilt er seine Vision: eine Plattform, die mithilfe von Energiedaten und KI die Energiewende auf die nächste Stufe hebt – und eine besondere Chance für Deutschland bietet

Herr Yogeshwar, die Energiewende ist seit Jahren ein bestimmendes Thema. Was ist Ihre persönliche Bilanz Anfang 2025: Wie viel Energiewende haben wir schon geschafft?
Ranga Yogeshwar: Wenn man sich den deutschen Strommix anschaut, dann liegt der schon bei über 50 Prozent durch erneuerbare Energien. Das ist eine gute Nachricht. Aber insgesamt stecken wir ganz am Anfang. Denn beim gesamten Primärenergieverbrauch in Deutschland sieht es ganz anders aus als beim Strom: Wir diskutieren beim Heizen im Gebäudebestand viel über Wärmepumpen. Die Gesamtzahlen zeigen aber, dass wir heute noch nicht in der Lage sind, diesen Energiebedarf wirklich erneuerbar abzudecken. Ungefähr 75 Prozent der Heizungen in Bestandsgebäuden haben mit Öl oder Gas zu tun. Da ist also noch viel zu tun.
Warum fällt uns der ganze Prozess der Energiewende so schwer?
Ranga Yogeshwar: Weil wir uns erstens lösen müssen von einer jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertealten Tradition, unsere gesamte Industrie auf die Basis von fossilen Brennstoffen zu stellen. Dieser Übergangsprozess dauert noch. Zweitens geht es nicht nur um ein Umswitchen von Kohle, Öl und Gas auf Strom. Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel. Wir haben nicht mehr diese eine Struktur wie beispielsweise bei der Elektrizität, in der wenige große Monopolisten mit großen Kraftwerken dafür sorgen, dass Strom aus der Steckdose kommt. Wir verschieben das Ganze hin zu einem sehr heterogenen System: ein echter Mix aus Solar, Wind und künftig auch mehr bidirektionalen Batteriespeichern. Das bedeutet, das System wird komplexer. Es gibt ein wildes Auf und Ab, das gemanagt werden muss. Da liegt noch viel Strecke vor uns, um das wirklich intelligent auf die Beine zu stellen. Ich bin aber überzeugt: Wenn wir das schlau angehen, können wir noch viel mehr Energie sparen, als wir bisher gedacht haben.
Apropos intelligent: Kann uns KI in diesem Prozess vielleicht besonders gut unterstützen?
Ranga Yogeshwar: Ich breche es mal auf den ganz normalen Haushalt runter, meinen eigenen. In meinem Fall habe ich eine Wärmepumpe, ich habe PV auf dem Dach und einen Batteriespeicher. Mein System arbeitet aber autark: Wenn morgens die Sonne scheint, lädt es zuerst meine Batterie. Ist das schlau? Nein. Warum? Weil morgens zwischen 8 und 9 Uhr im ganzen Netz viel Strom verbraucht wird. Es wäre besser, in dem Moment den Strom aus meiner PV direkt ins Netz zu speisen – und mit einem ordentlichen weather forecasting zu wissen, dass ich in zwei Stunden ohnehin meine Batterie laden kann, weil die Sonne da auch noch scheint.
Anderes Beispiel: Wenn ich weiß, dass die Sonne später nicht mehr scheint, könnte ich jetzt die Wärmepumpe mit meinem Strom noch etwas mehr laufen lassen und die Raumtemperatur bewusst um ein Grad erhöhen – und die Wärmepumpe muss später gar nicht mehr anspringen. Wenn ich dann noch persönliche Verhaltensmuster, variable Strompreise und so weiter hinzunehme, wird es schnell sehr komplex. Und meine Vision ist es, dass wir in zehn Jahren intelligente Kisten haben, die sich in meinen Haushalt einklinken und die selbst die ganz individuellen Muster identifizieren und das Gesamtsystem selbst optimieren.
Die Energiewende: Ein Update für alle beteiligten Systeme
Ihre Vision beschreibt viele technische Aspekte der Energiewende. Was muss gesellschaftlich passieren, damit die Energiewende in den kommenden Jahren gelingt?
Ranga Yogeshwar: Erst einmal: An vielen Stellen gelingt sie schon. Ich glaube, dass viele Menschen instinktiv gut verstehen, was jetzt zu tun ist. Zweitens brauchen wir bei der Energiewende einen breiten Kulturwandel. Wieder ein Beispiel: Wenn wir Elektrofahrzeuge nehmen, ist das in Deutschland eine etwas ideologische Debatte. Es gibt die einen, die sagen „Elektromobilität ist ganz toll“ und die anderen sagen „Um Gottes Willen, zurück zum Verbrenner“. Zudem haben wir eine sehr relevante Autoindustrie in Deutschland, die viel zu lange auf den Verbrenner gesetzt hat und jetzt plötzlich merkt, dass jetzt etwas anderes kommt. Nur mal zum Kontrast: In einem so großen Land wie China haben wir im letzten Jahr die Marke von 50 Prozent Elektroautos bei den Neuzulassungen überschritten. Und in Deutschland diskutieren wir noch immer.
Für ein chinesisches Elektroauto zahle ich aber auch viel weniger als für ein deutsches…
Ranga Yogeshwar: Klar, das Pricing ist neben der Kultur ein bestimmender Faktor. Und da müssen wir ganz ehrlich sein: Ein Elektroauto ist dramatisch einfacher aufgebaut als ein Verbrenner. Ein klassischer Verbrennermotor, nehmen wir den von einem BMW X 5, der hat etwa 2.500 Teile. Der Motor eines Tesla Model 3 hat etwa 200 Teile. In der Konsequenz ist der Produktionsaufwand geringer. Zudem fallen die Preise für Batterien seit Jahren. Das heißt, wir müssten eigentlich viel günstigere Elektroautos haben als Verbrenner. Aber in einer Art Trotz- und Schutzreaktionen sind Elektroautos zumindest in Deutschland noch viel zu teuer. Wir versuchen, unsere heimische Industrie mit Zöllen zu schützen. Aber die Chinesen zeigen, dass es anders geht. Und ich glaube, wir brauchen irgendwann den Sprung in das Morgen.
Das Thema Preise bestimmt ja auch die Debatte rund um die Energiewende. Sie haben schon 2012 in einer Sendung von „Hart aber Fair“ gesagt: Die Energiewende ist die langfristige Garantie dafür, dass die Preissteigerung aufhören, weil sie nicht auf endlichen Ressourcen aufbaut. Nun steigen die Preise aber unentwegt. Haben wir uns geirrt?
Ranga Yogeshwar: Nein, wir haben uns nicht geirrt. Der Zusammenhang zwischen Preis und Ressourcen ist ja recht trivial. Aber dann kommen die ganzen geopolitischen Komponenten hinzu. Man denke an den Ukraine-Konflikt. Wir sind beim Thema Energie noch immer auch Spielball der anderen. Wir müssen auch auf die langfristigen Kosten schauen, nicht nur auf den aktuellen Gas- oder Strompreis. Die Energiewende verlangt von allen Playern der Energiewirtschaft so etwas wie ein Update. Wir brauchen intelligente Netze, wir brauchen intelligente Stromzähler – und all das ist in Deutschland noch Neuland. Auch das verursacht Kosten, weil wir weniger einsparen, als wir könnten.
Energiedaten: eine Basis der Energiewende
Nun stellt Janitza Messgeräte und die passende Software her, mit der sich Energie und ihre Qualität sehr exakt messen und auswerten lassen. Wie wichtig sind solche Energiedaten für eine erfolgreiche Energiewende?
Ranga Yogeshwar: Die sind super wichtig. Im Grunde genommen ist Energiepolitik schon jetzt wie ein Flug durch den Nebel. Dafür brauchen wir gute Cockpits. Wir müssen also nicht nur wissen, wo wir jetzt oder in zwei Stunden Energie verbrauchen. Es geht weit darüber hinaus. Ich habe schon die Kopplung von Energieverbrauch und einer ordentlichen Wettervorhersage genannt. Möglicherweise müssen sogar auch Produktionsprozesse in Zukunft flexibler werden, als wir uns heute vorstellen.
Wir werden in Zukunft eine Welt haben, in der wir all diese Daten intelligent verarbeiten. Das ist genau das, was wir brauchen. Hier könnte Deutschland übrigens auch international punkten. Was meine ich damit? Wir alle kennen Microsoft 365, also Word und Excel und so weiter. Microsoft hat es geschafft, ganz verschiedene Prozesse im Büro auf eine Plattform zu bringen. Ich behaupte: Wir brauchen so etwas Ähnliches auch für die Energiewende. Ich habe zu Hause ein E-Auto, meine Waschmaschine, meine Wärmepumpe und meinen Kühlschrank - dieses Konzert der vielen Apparate muss koordiniert werden. Mit einer Plattform, die das ganze System auf Basis von Daten steuert. Genau hier liegt ein riesiges Potential. Wir könnten mit einer intelligenten Steuerung sehr viel Energie sparen. Wir reden also auf den ersten Blick bei der Energiewende über technische Details, die gar nicht ökologisch erscheinen – aber wie im Fall der Daten einen entscheidenden Effekt haben.
Werden wir zum Schluss konkret: Was ist die eine Sache, die jeder tun kann, um die Energiewende persönlich voranzutreiben?
Ranga Yogeshwar: Ich würde jedem sagen: Bleib fair und objektiv und rede mit den Leuten, die Dinge schon umsetzen. Zum Beispiel beim Thema E-Mobilität. Viele Menschen sind geprägt von zum Teil irreführenden Aussagen in den Medien und sagen dann: Ich bleibe beim Verbrenner, denn ich komme mit dem E-Auto ja nicht so weit, das ist teurer und so weiter.
Ich sage: Geh mal an eine Ladesäule, rede mit den Leuten, die schon elektrisch mobil sind – und du wirst merken, es funktioniert. Also weg mit den Vorurteilen, offen sein für das Neue. Vieles werden wir in Zukunft anders machen als bisher, und es wird besser sein. Diesen Spirit, den wünsche ich mir.